Die 4EM-Methode

Die Methode "For Enterprise Modelling Method (4EM)" ist eine sehr flexible und pädagogisch gut geeignete Methode der Unternehmensmodellierung und wurde am Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik der Universität Rostock in Zusammenarbeit mit der Universität Stockholm (SE) und der Universität Skövde (SE) entwickelt. Sie unterstützt die Studierenden bei der Modellierung, Analyse, Planung und Anpassung eines Unternehmens.

1. Grundbausteine von 4EM

Die 4EM-Methode besteht aus drei zentralen Elementen, die auch als Grundprinzipien aufgefasst werden können und eng miteinander verwoben sind:

  • eine definierte Vorgehensweise bei der Modellierung, bei der eine festgelegte Notation verwendet wird (definierte Vorgehensweise und Notation)
  • die Durchführung der Unternehmensmodellierung in Projektform mit vorgegebenen Rollen (Projektorganisation und Rollen)
  • eine partizipative Arbeitsweise zur Einbindung der Interessengruppen und Fachexperten in Unternehmen (Partizipation der Interessengruppen)

Diese drei Grundelemente von 4EM werden dabei von geeigneten Werkzeugen und Hilfsmitteln unterstützt.
Ein wichtiges Prinzip bei der Vorgehensweise in 4EM ist es, dass diese modular aufgebaut ist, d.h. für die unterschiedlichen Aspekte der Unternehmensmodellierung wird eine in sich geschlossene, klar definierte Vorgehensweise angeboten. Wie diese unterschiedlichen Komponenten des Vorgehens kombiniert werden, kann aber anhand des zu lösenden Problems entschieden werden.

2. Sichten und Teilmodelle

 Ein 4EM-Unternehmensmodell besteht aus verschiedenen Teilmodellen, die unterschiedliche Sichten auf das Unternehmen darstellen, und die untereinander eng vernetzt sind. Nicht immer werden alle Teilmodelle für ein Modellierungsprojekt oder zur Modellierung eines bestimmten Sachverhaltes benötigt, d.h. die Teilmodelle sind anhand des Modellierungszwecks auszuwählen. Bei der 4EM Methode werden die folgenden sieben Teilmodelle unterschieden:

Ziel- und Problemmodell

Das ZPM konzentriert sich auf die Beschreibung der Unternehmensziele. Mit diesem Modell wird beschrieben, was das Unternehmen und seine Mitarbeiter erreichen bzw. vermeiden möchte und wann dies erfolgen soll. Themen wie Unternehmensstrategie und die daraus abgeleiteten organisatorischen Ziele und Prioritäten, sowie deren Zusammenhang zu Problemen, Chancen und Beschränkungen werden in diesem Modell behandelt.

Geschäftsregelmodell

Das GRM definiert und pflegt die Richtlinien, welche für das Unternehmen gelten. Diese werden explizit formuliert und sollten mit dem ZPM konsistent sein. Die Geschäftsregeln können als Operationalisierung von Zielen betrachtet werden bzw. zeigen Richtlinien für bestimmte Aktivitäten auf. Welche Regeln die Geschäftsziele beeinflussen, welche Richtlinien im Unternehmen für spezielle Prozesse gelten sowie Zusammenhänge von Geschäftsregeln sollen im GRM verdeutlicht werden.

Konzeptmodell

Das KM definiert die Bedeutung wichtiger Konzepte und Informationsobjekte, die in anderen Teilmodellen verwendet, aber dort nicht genauer spezifiziert werden. Das KM soll sicherstellen, dass ein einheitliches Verständnis über den Inhalt und die Nutzung dieser Konzepte und Informationsobjekte im gesamten Unternehmensmodell besteht. Da solche Konzepte und Informationsobjekte in der Regel in mehreren Teilmodellen Verwendung finden, trägt das KM gleichzeitig zum Verständnis bei, wie bestimmte Teilmodelle zusammenhängen. Dieses Modell wird auch dazu genutzt, um Informationsobjekte hinsichtlich ihrer Attribute zu strukturieren und deren Abhängigkeiten und Nutzung zu verdeutlichen.

Geschäftsprozessmodell

Das GPM definiert die Geschäftsprozesse, deren Wechselwirkung und Umgang mit Informationen und Material. Ein Geschäftsprozess konsumiert Informationen und/oder Material und produziert einen Output, welcher wieder eine Information und/oder (ein) Material sein kann. Des Weiteren soll das GPM verdeutlichen, welche Geschäftsprozesse zu welchen Geschäftszielen in welchen Organisationseinheiten mit welchen Ressourcen einen Beitrag leisten. In diesem Zusammenhang sind Informationen, wie Verantwortlichkeiten und das Einhalten von Richtlinien, ebenfalls zu berücksichtigen.

Akteure- und Ressourcenmodell

Das ARM beschreibt, wie die unterschiedlichen Akteure und Ressourcen miteinander in Verbindung stehen sowie wie deren Bezug zu den Komponenten der einzelnen Teilmodelle ist. Ein Akteur kann beispielsweise eine Rolle haben, in der er verantwortliche für einen bestimmten Prozess oder ein konkretes Ziel ist. Diese Rolle kann zudem von einer Person oder Organisationseinheit ausgefüllt werden. Ressourcen verdeutlichen die Inputfaktoren, welche zur Erreichung bestimmter Ziele, der Durchführung von Prozessen sowie deren Unterstützung benötigt werden. Die Aufbauorganisation eines Unternehmens und die Verteilung der Verantwortlichkeiten als Rollenstruktur werden ebenfalls in diesem Teilmodell abgebildet.

Technische Komponenten- und Anforderungsmodell

Das TKAM ist eine Spezialisierung des Ressourcenmodells und wird insbesondere relevant, wenn die 4EM-Methode zur Anforderungsbeschreibung einer Informationssystementwicklung eingesetzt wird oder aber der Bedarf besteht, die IT Landschaft mit ihren Anforderungen genauer zu beschreiben. Diese Informationen lassen sich z.T. aus den anderen Modellen ableiten, müssen jedoch in weiteren Modellierungssitzungen genauer ausgearbeitet werden. Der Fokus dieses Modells liegt auf den technischen Systemen, welche die Ziele, Prozesse und Akteure unterstützen. Dabei werden die vorhandenen IT Ressourcen erfasst und in Gruppen von Subsystemen oder technischen Komponenten genauer strukturiert. Das TKAM ist ein optionales Modell, welches die Struktur, Eigenschaften und Anforderungen konkreter Informationssysteme definiert, um die Ziele und die zu deren Erreichung benötigten Geschäftsprozesse bestmöglich zu unterstützen.

Für alle Teilmodelle gilt, dass die unterschiedlichen Ausprägungen der Modellelemente sowohl miteinander (Intra-Modell) als auch mit Modellelementen anderer Teilmodelle (Inter-Modell) in Beziehung stehen können. Unter den Downloads finden sie Beispielmodelle aus dem Buch, die für das weitere Verständnis hilfreich sein können.

3. Einsatzgebiete und Ergebnisse

Die 4EM Methode beschreibt einen Ansatz, der eine systematische und kontrollierte Vorgehensweise zur Analyse, Erfassung, Entwicklung und Dokumentation eines Unternehmens oder Unternehmensausschnitts mit seinen Strukturen und Prozessen in Form von Modellen ermöglicht. In der Praxis gibt es für diese natürlich eine Vielzahl an Hindernissen für den Nutzer, wie beispielsweise das Erkennen aller relevanter Abhngigkeiten im Unternehmen, die die allgemeine Suche nach Problemquellen und das Finden von Verbesserungsmöglichkeiten bei eben diesen. Unabhängig von diesen Herausforderungen aus der Praxis kann 4EM generell eingesetzt werden, wenn Informationen und eine modellhafte Darstellung als Anwort auf folgende Fragen benötigt werden:

  • Wie funktioniert das Unternehmen gegenwärtig?
  • Wo bestehen Probleme bzw. Herausforderungen, die zu Veränderungen im Unternehmen führen müssen?
  • Was sind die Anforderungen an diese Veränderungen?
  • Was sind die Alternativen zur Erfüllung dieser Anforderungen?
  • Welche Kriterien und Argumente können zur Evaluierung dieser Alternativen eingesetzt werden?

Beim Einsatz der 4EM-Methode werden häufig unterschiedlichste Interessengruppen im Unternehmen involviert, wie z.B. die Unternehmensleitung, Führungspersonal der Organisationseinheiten, Personal aus den Fachabteilungen oder Fachexperten, welche zusammen mit Experten für die 4EM-Methode und die eingesetzten Analysetechniken an der gegebenen Aufgabenstellung arbeiten.

4. Auswirkungen der partizipativen Arbeitsweise

Eines der Prinzipien der 4EM-Methode ist die Partizipation der Interessengruppen im Unternehmen an der Unternehmensmodellierung. Zum Ergebnis eines Modellierungsprojekts gehören durch die partizipative Arbeitsweise nicht nur die entwickelten Modelle und getroffenen Entscheidungen bzw. vorgenommenen Änderungen im Unternehmen, sondern auch ein besseres Verständnis der Beteiligten für den Problemlösungsprozess und oft auch für das eigene Unternehmen. In dem partizipierenden Ansatz von 4EM erstellen die Interessengruppen unter Anleitung eines Moderators und mit Hilfe von Modellierungsexperten in entsprechenden Modellierungssitzungen Modelle zur Lösung des zuvor definierten Problems. Moderator und Modellierungsexperten stellen dabei sicher, dass sich die Fachexperten und beteiligten Personen aus den Interessengruppen vollkommen auf die Lösung des Problems konzentrieren können und nicht erst die Syntax einer Modellierungssprache lernen müssen.

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Nach Modellerstellung werden die Fachexperten dann zur Beratung und Validierung der durch Modellierer erstellten Modelle herangezogen und haben mit dem eigentlichen Akt der Modellerfassung nicht direkt zu tun. Unabhängig von der Qualität des Modell hat die Sitzung stets zwie Folgen. Zum einen können die erzeugten Modelle immer als Grundlage weiterer Tätigkeiten genutzt werden, sei es als Diskussionsgrundlage für weitere Modellierungssitzungen oder als Visualisierung eines Sachverhalts. Zum anderen verändert die 4EM-Methode die Herangehensweise an Problemlösungsprozesse, da die Teilnehmer durch ein strukturiertes und konsensbezogenes Vorgehen geleitet werden. Zwei wesentliche Vorteile werden dieser Vorgehensweise zugeschrieben:

 

  • Der partizipative Ansatz bezieht die Akteure beim Entscheidungs- und Lösungsprozess ein, was Akzeptanz und Engagement der Beteiligten erhöht.
  • Die Qualität der Modelle wird durch diese Arbeitsweise verbessert, da die Modelle in Zusammenarbeit mit Fachexperten und Beteiligten geschaffen und dabei ständig geprüft und validiert werden.

Als qualitativ hochwertig werden Modelle betrachtet, welche sich als Ganzes sinnvoll bei der Lösung des gegebenen Problems einsetzen lassen. In anderen Worten lässt sich die Qualität also durch Korrektheit und Stimmigkeit beschreiben. Qualitativ hochwertige Modelle können folgende Merkmale aufweisen:

  • klarer Geschäftsüberblick
  • Unterstützung beim organisatorischen Lernen
  • Unterstützung beim Verständnis der Fähigkeiten und Prozesse eines Unternehmens
  • Verbesserte Kommunikation zwischen den einzelnen Stakeholdern eines Problems, welches durch ein Modellierungsprojekt gelöst werden soll
  • Gestaltung einer Argumentationsbasis für Analyseaufgaben mithilfe von strukturierten Sichten und Beschreibungen
  • einfache Ableitung von Anforderungen an Informationssysteme zur Prozessunterstützung
  • Darstellung eines konsistenten und umfassenderen Modells durch konsequente Beschreibung der unternehmerischen Ziele, Prozesse, Anforderungen usw., was mit herkömmlichen textbasierten Ansätzen nur schwer möglich ist
  • Beiträge zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung von Prozessen und Strukturen im Unternehmen

Für die Stakeholder des Unternehmens lassen sich bei entsprechender Qualität die folgenden Vorteile beobachten.:

  • Besseres Verständnis der betreffenden Teile des Unternehmens und deren Wechselbeziehungen
  • Entscheidungsfindung zur Problemlösung durch die Beteiligten
  • ein Modell als Argumentationsgrundlage
  • kritische Themen werden gemeinsam diskutiert um zusammen eine Lösung zu finden
  • organisatorisches Lernen und die Kommunikation wird positiv beeinflusst

Die 4EM-Methode visualisiert mit einfachen Techniken komplexere Sachverhalte und kann somit gut als Repräsentations- und Diskussionsgrundlage eingesetzt werden.

5. Herkunft der 4EM-Methode

Die 4EM-Methode ist erst wenige Jahre alt und das Ergebnis eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses einer ganzen Reihe von Methoden. Eine frühe Unternehmensmodellierungs-Methode, die ABC-Methode, wurde Anfang der achtziger Jahre durch Plandata, Schweden, vorgeschlagen und durch das schwedische Institut für System Development (SISU) in den späten achtziger Jahren weiterentwickelt. Diese Entwicklung führte Konzepte zum Thema Unternehmensmodellierung von Langefors weiter. Das Besondere an der Methode vom SISU war die Vorstellung, dass es zusätzlich zu den traditionellen Daten- und Prozessmodellkomponenten weitere Komponenten zu berücksichtigen galt, wie z.B. die Modellierung von Zielen. Somit entwickelte sich die SISU-Version, welche zunächst nur für die Geschäftsmodellierung eingesetzt wurde, über das ESPRIT "F3 - From Fuzzy to Formal" Projekt zu einer Unternehmensmodellierungsmethode weiter. Die in dem F3-Projekt entwickelte Methode mit dem Namen "F3 94" wurde in den Folgeprojekten ESPRIT – ELKD und HyperKnowledge in die "Enterprise Knowledge Development" (EKD) Methode überführt.
Die EKD-Methode beschreibt ein strukturiertes Verfahren zur Modellierung verschiedener Aspekte eines Unternehmens in entsprechenden Modellen und bildet die wesentliche Grundlage für die 4EM-Methode. EKD wurde durch den Einsatz bei divsersen Großunternehmen(bspw. Volvo, National Bank of Greece, Capital Bank und Vattenfall) stetig angewendet und in Folge dessen auch immer wieder verbessert und ausgebaut bis sie schließlich in die "For Enterprise Modeling"-Sprache aufging.


Veröffentlichungen


Involvierte Institutionen